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2023-03-01 11:40:14 By : Mr. Lester Choo

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Das Solarauto Sion, die Magnetschwebebahn Transrapid, der Flughafen BER und die Hamburger Elbphilharmonie sind nur einige Beispiele für gescheiterte deutsche Projekte.

© Quelle: Sono Motors; picture alliance/dpa/Sina Schuldt; Paul Zinken/dpa; Christian Charisius/dpa

Der Sion sollte das erste deutsche Solarauto werden. Nun ist der Plan Geschichte. Warum tut sich Deutschland so schwer mit Innovationen und Großprojekten? Von Cargolifter bis zur Pkw-Maut, vom Transrapid bis zum E-Rezept – hier sind zehn spektakuläre Flops made in Germany.

Der „Postillon“ lästerte lustvoll: Der dänische Spielzeughersteller Lego, so spöttelt die Satireseite, plane eine neue Modellreihe speziell für Deutschland: „Gescheiterte deutsche Großprojekte“. Hiesige Kinder könnten mit den Plastiksteinchen „vergeblich versuchen, den Berliner Großflughafen BER oder den Bahnhof Stuttgart 21 zu bauen“. Ziel von Lego sei es, „dass sich Kinder keine Illusionen machen, was Großbauprojekte in Deutschland angeht“. Man habe sich „alle Mühe gegeben, das Erlebnis so realistisch und damit so frustrierend wie möglich zu gestalten“. Allein für den Brandschutz am BER seien vier teure Lego-Erweiterungsboxen nötig.

Treffer – versenkt. In diesen Tagen könnte Lego sein (fiktives) Portfolio der deutschen Problemprojekte und Pleiten noch ausweiten: Das erste deutsche Solarauto Sion ist Geschichte. Das 2016 in einer Münchner Garage gegründete Start-up-Unternehmen Sono Motors hat seinem mit großen Ambitionen gestarteten Fotovoltaik-Mobil nach sieben Jahren den Stecker gezogen – zuletzt fehlten 100 Millionen Euro, um ein Vorserienmodell zu bauen. 300 von 410 Mitarbeiter werden entlassen. Der Sion sollte Solarkraft und Steckdosenstrom kombinieren. Zum Abschied klagte Mitgründer Laurin Hahn auch über mangelnden Rückhalt aus der Politik: „Wir haben in sieben Jahren ganze 12.­000 Euro Förderung vom Freistaat Bayern erhalten.“ Und das, obwohl Sono Motors von seinen Fans schon als „deutsches Tesla“ gefeiert wurde.

„Wir haben in sieben Jahren ganze 12 .000 Euro Förderung vom Freistaat Bayern erhalten": Das Solarautoprojekt Sion ist gescheitert.

© Quelle: Alexander Herold/Sono Motors/dpa

Wieder ein deutsches Vorzeigeprojekt also, das gefloppt ist. Gewiss: Scheitern gehört zum Geschäft. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Es heißt nicht umsonst „Wagniskapital“. Der Friedhof der toten Innovationen aus aller Welt ist eng belegt. Dort liegen nicht nur das Sprühkondom, die Laserdisc, Googles Datenbrille „Glass“, fettfreie Pringles und „Trump – Das Gesellschaftsspiel“. Dort liegen auch Betamax, grünes Ketchup und eine Gesichtsmaske, die mit kleinen Eletroschocks die Haut verjüngen sollte. Doch der Eindruck verfestigt sich, dass sich die umständliche, zögernde, mit sich selbst hadernde Industrienation Deutschland besonders schwertut, global konkurrenzfähige Innovationen und spektakuläre Prestigeprojekte hervorzubringen.

Visionen sind ein mächtiger Motor. Die Idee vom ganz großen Wurf treibt die Menschheit seit jeher zu kühnen Träumen. Manche davon sind kolossaler Unfug – wie der Plan des bayerischen Architekten Herman Sörgel, mit Staudämmen an der Straße von Gibraltar und bei den Dardanellen das Mittelmeer trockenzulegen. Viele sind getragen von Hybris und einer übersteigerten Faszination von Technik, was am Ende zum Scheitern führt – wie die Idee vom Transportzeppelin Cargolifter oder die Magnetschwebebahn Transrapid. Für einen Erfolg benötigen Unternehmer nicht nur eine brillante Idee, sondern vor allem Glück, Geld, Timing und politische Unterstützung.

Deutschland, das Land der Faxgeräte, scheint seit gut zwei Jahrzehnten ein besonderes Talent darin zu haben, anfangs gefeierte vermeintliche Großtaten zu teuren Blamagen werden zu lassen. Wuchernde Bürokratie, komplizierter Föderalismus, tiefe Zukunftsskepsis – diese Gemengelage hat schon manches deutsches Renommierprojekt zum Scheitern gebracht. Manche davon gingen wie der „Sion“ wegen der Zweifel von Investoren bezüglich des Geschäftsmodells unter, manche starben an mangelndem politischen Rückhalt, manche an Fehlplanung oder explodierenden Kosten oder den übergroßen Egos von Provinzpolitikern, die sich gegen jede Vernunft ein Denkmal setzen wollten – oder an einer Mischung aus all dem.

Öffentliche Prestigebauten in Deutschland zum Beispiel werden im Durchschnitt 73 Prozent teurer als ursprünglich geplant. Das hat die Hertie School in Berlin errechnet. Die Forscher untersuchten 170 Projekte. Die Gründe für teils irrsinnige Kostensteigerungen sehen sie in Defiziten im Entscheidungs-, Planungs- und Steuerungsprozess: Verwaltung und Politiker seien oftmals zu optimistisch und – so heißt es wörtlich – „überschätzten ihre Fähigkeiten“. Besonders heftige Kostenexplosionen gebe es regelmäßig bei Megaprojekten: Vorhaben mit einem Volumen von mehr als 500 Millionen Euro würden im Schnitt doppelt so teuer wie geplant. Oder gleich fünfmal so teuer, wie die Hamburger Elbphilharmonie. Und was Erfindungen angeht: Eine Studie zeigt: Gescheiterte Innovationen kosten allein Deutschland jährlich mindestens 20 Milliarden Euro.

Hinzu kommt: Der einstige Musterschüler Europas hadert mit sich selbst. Das Visionäre ist dem Deutschen suspekt. In diesem Land werden Autos, Häuser, Maschinen mit Muffen und Schläuchen und Küchenherde gebaut. Notare sitzen in holzvertäfelten Büros und überprüfen Unterschriften aus Tinte auf Papier. Die hiesige Autoindustrie nimmt die Kurve ins Elek­trozeitalter nur schwerfällig. Und wenn die frühere Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU) es wagt, öffentlich über Flugtaxis nachzudenken, wird sie als spinnert verlacht.

Die schmerzhafte Liste der deutschen Bau- und Innovationsblamagen wird also um einen kleinen, aber bemerkenswerten Eintrag länger.

Diese zehn Projekte aus Deutschland, die wie das Münchener Elektroauto Sion mit großen Hoffnungen starteten, erwiesen sich als Millionengräber, als nie in Betrieb gegangene Pfuschbauten oder als am Ende dann doch untaugliche Technologien:

Auch massive politische Subventionen konnten die Idee nicht retten: Die Montagehalle für den Bau des riesigen Luftschiffs „Cargolifter“ in Brandenburg ist 107 Meter hoch, 360 Meter lang und 210 Meter breit. Heute ist darin ein Badeparadies untergebracht.

Mit einer fast 100 Jahre alten Technologie in modernem Gewand schwere Lasten durch die Luft transportieren – das war die Vision des 1996 gegründeten Unternehmens Cargolifter. Bis zu 160 Tonnen sollten die Luftfrachtschiffe tragen. Nicht nur brandenburgische Regionalpolitiker auf der Suche nach Standortperlen waren begeistert – eine ostdeutsche Pioniertat in einer strukturschwachen Region. Doch schon 2002 musste das Unternehmen Insolvenz anmelden. Auch massive politische Subventionen konnten die Idee nicht retten. Immerhin blieb ein weithin sichtbares Baumonument stehen: In der riesigen „Cargolifter“-Werfthalle, die noch immer als größtes freitragendes Gebäude der Welt gilt, ist heute ein tropisches Badeparadies untergebracht.

900 Millionen statt 186 Millionen: Bauarbeiter vor der Elbphilharmonie in Hamburg.

Rund 186 Millionen Euro sollte das Hamburger Vorzeige-Konzerthaus am Hafen kosten, sagte eine Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2005 voraus. Am Ende dann verschlang die Elbphilharmonie knapp 900 Millionen Euro. Nicht so clever: Die Ausschreibung der Bauarbeiten war zu früh erfolgt – nämlich noch vor Abschluss der Planungsphase. Und was genau der einzige Bewerber Hochtief da eigentlich bauen sollte und bis wann, war auch nicht klar definiert. Hinzu kam, so ergab die Arbeit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, die personelle Überforderung der städtischen Realisierungsgesellschaft. Mit anderen Worten: Von Anfang an galt in Hamburg das inoffizielle Motto: Das wird schon irgendwie passen, Hauptsache pompös.

„Mit dem Wissen von heute würde man das Projekt nicht mehr bauen": Baustelle "Stuttgart 21".

Dreißig Jahre alt wird die allererste Machbarkeitsstudie für den neuen Bahnhof in Stuttgart in zwei Jahren. Die Bauarbeiten für den Umbau des Hauptbahnhofs in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof begannen am 2. Februar 2010. Die Inbetriebnahme war für Dezember 2019 geplant. Aktuell spricht man von 2025. Umbenannt werden soll „Stuttgart 21″ aber nicht in „Stuttgart 25″.

Das Mammutunternehmen spaltete die Stadt von Anfang an. Statt 5 Milliarden Euro wird das Bauprojekt am Ende wohl deutlich über 10 Milliarden Euro verschlingen. Man hatte darauf gehofft, dass reichlich teure Innenstadtgrundstücke frei werden würden. Doch jeglicher Nutzen ist bereits jetzt durch die hohen Kosten verpufft. Der frühere Ministerpräsident Erwin Teufel ließ gar geheim halten, dass es recht früh Hinweise auf Kosten von mehr als 6 Milliarden Euro gab. Doch das Projekt war rechtlich davon abhängig, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis einen bestimmten Quotienten nicht überstieg – also schwieg man. Der damalige Bahnchef Richard Lutz konstatierte schon im April 2018 nüchtern: „Mit dem Wissen von heute würde man das Projekt nicht mehr bauen.“

Lachnummer der Nation: Flughafen Berlin-Brandenburg (BER).

Baupfusch, Sicherheitsbedenken, endlose Probleme mit dem Brandschutz, politisches Gezänk, niemand fühlte sich verantwortlich – der Flughafen Berlin-Brandenburg war die Lachnummer der Nation. Beim ersten Spatenstich 2006 hieß es noch, der Bau werde rund 1,9 Milliarden Euro kosten. Am Ende waren es für die erste Ausbaustufe knapp sechs Milliarden. Den Grund für derlei Fehlplanungen sieht der dänische Wirtschaftsgeograf Bent Flyvbjerg von der Universität Oxford auch darin, dass Planer und Politiker die voraussichtlichen Kosten gern mit voller Absicht zu niedrig ansetzen, um in der Öffentlichkeit Akzeptanz für das Projekt zu sichern. Er sagt: Optimismus allein sei „keine Voraussetzung für unternehmerischen Erfolg“. „Das Problem ist, dass die zweifelhafte Praxis, Kosten zu untertreiben und Nutzen zu übertreiben, von vielen Großprojektplanern und Managern genutzt wird, um ihr Lieblingsprojekt zu bewerben“, stellt Flyvbjerg fest. Mit anderen Worten: Politiker und Macher täuschen, tricksen schummeln und reden schön, um sich ein Denkmal zu setzen.

Verwittert und rostend: Ein ausgemusterter Transrapid-Zug in Lathen.

Die Technologie galt als Weg in die mobile Zukunft: ein Zug, der auf einem Magnetfeld schwebend fast ohne Reibungsverluste mit 500 Stundenkilometern an sein Ziel rast. Von einem „Wunderwerk deutscher Ingenieurskunst“ war die Rede. Erste Prototypen waren 1971 zu besichtigen. 1991 dann bekam das Konzept die technische „Einsatzreife“. Erst sollte der Transrapid zwischen Hamburg und Berlin schweben, dann zwischen Düsseldorf und Dortmund – zuletzt nur noch vom Münchener Hauptbahnhof zum Flughafen. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber verewigte sich aus diesem Anlass mit einer dahingestammelten Gaga-Rede in den Annalen der Politkommunikation („... dann werden Sie feststellen, dass zehn Minuten ... Sie jederzeit locker in Frankfurt brauchen, um ihr Gate zu finden. Wenn Sie vom Flug ... vom ... vom Hauptbahnhof starten – Sie steigen in den Hauptbahnhof ein, Sie fahren mit dem Transrapid in zehn Minuten an den Flughafen in ...“)

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Die einzige Transrapidstrecke im Regelbetrieb wurde am 31. Dezember 2002 in Shanghai in Betrieb genommen – 30 Kilometer lang. Von geplanten Ausbauten der Strecke ist längst keine Rede mehr.

Der Transrapid-Zug der stillgelegten niedersächsischen Transrapid-Teststrecke dient inzwischen auf dem Firmengelände der Fleischwarenfabrik Kemper Wurstwaren in Nortrup als Konferenzraum. Heute ist man sich einig, dass der Transrapid auch an schlechtem Timing scheiterte: Als er auf den Markt kam, hatte er gegen konventionelle Hochgeschwindigkeitszüge und günstige Flüge schon keine Chance mehr.

„Störe deinen Gegner nicht, wenn er Fehler macht": Ein Airbus A380 des Flugzeugherstellers Airbus.

© Quelle: Andrew Matthews/PA Wire/dpa

Fast 300 Tonnen schwer und groß genug für bis zu 870 Passagiere: Der mächtige A380 sollte die technologische Überlegenheit der Europäer demonstrieren, dem US-Konkurrenten Boeing mit seinem Jumbojet 747 Kundschaft abjagen und dem Unternehmen Airbus Milliardengewinne bescheren. Nichts davon bewahrheitete sich. Zu schwer, zu teuer, zu hoher Kerosinverbrauch der vier Riesentriebwerke – der A 380 ist heute ein Industriedenkmal. Auch weil Fluggäste heute lieber in schlankeren Maschinen direkt an ihr Ziel fliegen, statt an großen Luftfahrt-Hubs wie Frankfurt, London oder Paris in XXXL-Brummer umzusteigen.

Am 17. März 2021 verließ die letzte von insgesamt 251 je gebauten A 380-Maschinen die Fertigungshallen in Toulouse. Auf bis zu 1000 verkaufte Exemplare hatte Airbus gehofft. Natürlich ist der europäische Riesenflieger kein rein deutsches Produkt. Deutschland war aber an der Entwicklung maßgeblich beteiligt: Anfang der Neunzigerjahre reiste der einstige Daimler-Manager Jürgen Schrempp, der damals an der Spitze der Airbus-Vorläuferfirma Dasa saß, zu Boeing nach Seattle. Er wollte laut „Spiegel“ die Amerikaner überzeugen, den Superflieger gemeinsam zu bauen. An seiner Seite war ein Dasa-Manager, der später als Bahnchef unrühmlich agierte: Hartmut Mehdorn. Die Boeing-Chefetage winkte dankend ab. Und als die Europäer 2001 beschlossen, das gewaltige Flugzeug tatsächlich zu bauen, prägte Boeing-Chef Harry Stonecipher ein Zitat, das in die Industriegeschichte einging: „Störe deinen Gegner nicht, wenn er Fehler macht.“

Politisch tot: Die von der CSU geforderte und vorangetriebene Pkw-Maut in Deutschland darf es so nicht geben, hat der Europäische Gerichtshof geurteilt.

Ausländer kostenlos auf deutschen Straßen! Holländer mit Wohnwagen zahlen keinen Cent für die Benutzung des hiesigen Nationalheiligtums: der Autobahn! Die CSU zog 2013 mit der Forderung in den Wahlkampf, dass auch ausländische Automobilisten in Deutschland gefälligst zur Kasse gebeten werden müssten wie umgekehrt Deutsche in der Schweiz oder Österreich – dort vergleichsweise unkompliziert per Vignette.

Doch die Ausschreibung für das Pkw-Mautsystem (vulgo: „Ausländer-Maut“) wurde zum politischen Debakel: Nicht nur, dass die EU dem System lange die Zustimmung verweigerte, weil es ausländische Fahrer diskriminiere (was man hätte wissen können). Nicht nur, dass deutsche Autofahrer maximal umständlich erst ebenfalls die Maut hätten zahlen sollen, um dann über die Pkw-Steuer wieder entlastet zu werden. Noch schlimmer: Der zuständige Verkehrsminister Andreas Scheuer habe dem Betreiberkonsortium voreilig Millioneneinnahmen zugesichert, kritisierte die Opposition in Berlin. Seither streiten der Bund und die Fastbetreiber um 560 Millionen Euro ausgefallene Einnahmen. Eine halbe Milliarde Euro Steuergeld also für eine Leistung, die niemals erbracht wurde. Davon abgesehen verschlang Scheuers peinliches Debakel knapp 80 Millionen Euro an Steuergeld. Scheuer hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen.

Heute ein Freizeitpark: das nie ans Netz gegangene ehemalige Atomkraftwerk Kalkar.

© Quelle: picture alliance / blickwinkel/H. Blossey

Als atomares Industriedenkmal der Bundesrepublik erwies sich das Kernkraftwerk in Kalkar am Niederrhein. Es wurde 1985 fertiggestellt und sollte nicht nur Strom, sondern zusätzlich auch waffenfähiges Plutonium produzieren. Doch der „Schnelle Brüter“ ging nie ans Netz. Seit dem Baustart 1973 hatte es massive Anti-Atom-Proteste gegeben. Und dann, ein Jahr nach der Fertigstellung, kam es 1986 zum Super-GAU in Tschernobyl. Am Ende kostete Kalkar statt 471 Millionen Euro die stolze Summe von 2,8 Milliarden – für exakt gar nichts. Heute befindet sich auf dem Gelände des nie in Betrieb befindlichen AKW ein Freizeitpark.

Einführung verschoben: Auf einem Smartphone ist die geöffnete App „Das E-Rezept“ zu sehen.

Ungezählte Digitalprojekte sind mit großem Getöse und gewaltigen Prognosen gestartet – und wurden vom Tiger zum Bettvorleger: Ob die „Deutschland Cloud“ der Telekom, der E-Postbrief der Deutschen Post (quasi ein Zwitter zwischen E-Mail und Brief), das volumenmäßig zu vernachlässigende Zahlungssystem Paydirekt der deutschen Banken oder das gescheiterte Steuersystem FISCUS – die Digitalisierung stößt in Deutschland auf gewaltige Hindernisse. Meist kommt sie schlicht zu spät, und ein anderer Dienstleister ist längst etabliert, wenn in deutschen Unternehmen die Sache noch beim Datenschutzbeauftragen hängt.

Gerade erst wurde die Einführung des elektronischen Rezepts (E-Rezept) wegen Datenschutzverstößen abgebrochen und der Start auf den Sommer 2023 verschoben. Und so fährt ein chronisch Kranker in Deutschland, wenn er neue Medikamente braucht, weiter durch die halbe Stadt zur Arztpraxis, wartet auf eine Unterschrift auf einem rosa Zettel, fährt mit dem rosa Zettel zur Apotheke, bekommt einen Abholschein, schläft eine Nacht und fährt dann mit dem Abholschein wieder zur Apotheke, um sein Medikament abzuholen.

Warum ist Deutschland bei der Digitalisierung insgesamt so lahmarschig? Eine Studie des Fraunhofer-Instituts in Karlsruhe spricht trocken von einer „schwierigen Akteurskonstellation“. Gemeint sind: Bürokratie, hohe Technologiekosten, Sicherheitsbedenken und „regulatorische Unsicherheiten“ sowie fehlende Zuverlässigkeit der technischen Lösungen und fehlende Interoperabilität der Systeme. Auch „veraltete IT-Infrastrukturen“ seien ein großes Risiko. Digitalisierung im öffentlichen Sektor? Ein Trauerspiel. In Großbritannien lässt sich die Verlängerung eines Reisepasses vollständig online abwickeln. In Dänemark können Unternehmer eine Firma dank sicher verschlüsselter und rechtswirksamer Unterschrift in wenigen Stunden online anmelden.

Bis 2025 steckt Deutschland 3 Milliarden Euro in die Erforschung künstlicher Intelligenz. Drei Milliarden – das klingt nach viel. Der Digitalexperte Sascha Lobo machte dazu eine interessante Rechnung auf: In einer einzigen chinesischen Stadt namens Tianjin entstehe gerade ein Fonds zur Förderung künstlicher Intelligenz. Dessen Volumen allein beträgt 15 Milliarden Euro. In der Hauptstadt witzelte man mit Blick auf das Silicon Valley lange: „Die einzigen, die in Berlin was mit Silikon machen, sind Fliesenleger.“

Doch noch sitzt die Generation Funkloch an den Schalthebeln der Macht. Und solange die Einnahmen der hiesigen Wirtschaft halbwegs sprudeln und die Arbeitslosigkeit im tolerierbaren Bereich liegt, stellt niemand das System grundsätzlich infrage. Exportüberschuss. Made in Germany. Warum sollen wir bitteschön radikal auf digitales Denken umstellen? Stattdessen versucht die deutsche Gesellschaft halbherzig, eine digitale Infrastruktur parallel zu den alten Industriestrukturen aufzubauen. Quasi: ein Land, zwei Systeme. Laptop und Lederhose. Die Otto-Brenner-Stiftung kommt in einer Studie im Kern zu dem Schluss: Digitalisierung bedeute in Deutschland, es dürfen gern neue Industrien entstehen, aber gleichzeitig sollen die alten bitte so bleiben, wie sie 100 Jahre lang funktioniert haben.

Und ist Deutschland nun besonders ungeschickt, was große Bauprojekte und innovative Ideen angeht? Internationale Vergleiche sind wegen der ungleichen Datenlage schwierig. Leider jedoch ragt Deutschland in einigen Eigenschaften in der Tat heraus: Vorhandene Studien legten ein leicht schlechteres Abschneiden mit vergleichbaren Ländern nahe, was das Bauen angeht, meldet die Hertie School. So lägen die Kostenüberschreitungen bei Straßen-, Schienen-, Tunnel- und Brückenbau in den Niederlanden bei 17 Prozent, in den Ländern Nordwesteuropas bei 22 Prozent – in Deutschland dagegen bei 30 Prozent.

Auf dem Weg zur digitalen Gesellschaft: Ein kleines Solarauto fährt während des Solarrennens „Sonne bewegt!“ im Sommer 2022 auf einer Rennbahn in Marburg.

Was tröstet: Deutschland ist nicht ganz allein mit seinem unglücklichen Händchen fürs Planen. Eine Studie der Universitäten Harvard und Oxford hat gezeigt, dass nicht einmal ein Viertel der weltweiten Großprojekte wie geplant durchgeführt werden können. Die Wissenschaftler untersuchten 2000 Fälle aus 104 Ländern. In fast allen Fällen wurden Kosten und Aufwand von Beginn an unterschätzt.

Im Land der Dichter, Denker und Autokonstrukteure galt es eben immer noch als Ideal, sich zunächst tüftelnd zurückzuziehen und dann aus einer brillanten Idee ein hochwertiges Produkt zu machen. Zu der Erkenntnis, dass Programmieren und digitales Entwickeln Schlüsselkompetenzen des 21. Jahrhunderts sein sollen, hat man sich noch immer nicht final durchgerungen. Am Ende ist das Solarauto Sion sicher nicht direkt an diesem Defizit gescheitert. Aber in einem Klima der Zukunftslust, politischen Flexibilität und unternehmerischen Risikobereitschaft hätten es innovative Ideen sicher leichter.

Im März werden die Uhren wieder von Winterzeit (Normalzeit) auf Sommerzeit umgestellt. Auch wenn es jedes Jahr aufs Neue geschieht, fragen sich viele Menschen: Gibt es dann eine Stunde mehr oder weniger Schlaf?

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Es ist ein diffuses Gefühl, die Gewissheit, dass einem etwas Schlimmes widerfahren sein muss. Greifbar ist es nicht. Die New Yorker Psychoanalytikerin Galit Atlas ist Expertin für transgenerationale Traumata. Im Interview spricht sie über das emotionale Erbe und darüber, wie es unser Leben beeinflusst.

Grün oder rot schimmern sie am Nachthimmel. Polarlichter faszinieren die Menschen seit Jahrtausenden – und man kann sie nicht nur im hohen Norden beobachten. So entstehen sie,

Wenige Minuten vor dem geplanten Start ist der Abflug der „Crew Dragon“-Rakete am Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida am Montagmorgen abgebrochen. Grund dafür waren Probleme an der Zündanlage.

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